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Zeugnistag by Reinhard Mey



                          Zeugnistag 




Strophe 1:

G	              Bm           C             G
Ich denke, ich muss so zwoelf Jahre alt gewesen sein, 
C              D                 G
und wieder einmal war es Zeugnistag. 
G                     Bm                C                       G
Nur diesmal, dacht' ich, bricht das Schulhaus samt Dachgestuehl ein, 
C                 D                     G
als meines weiss und haesslich vor mir lag. 
D               G             D                     G
Dabei war n meine Hoffnungen keineswegs hoch geschraubt, 
A                             D
ich war ein fauler Hund und obendrein 
C                   D              G                  C
hoechst eigenwillig, doch trotzdem haette ich nie geglaubt
G              D            Em   G           D              G 
so ein totaler Versager zu sein, ein totaler Versager zu sein. 


Strophe 2:
G	                     Bm           C             G
So, jetzt ist es passiert, dacht ich mir, jetzt ist alles aus, 
C              D                 G
nicht einmal eine Vier in Religion. 
G                     Bm                C                G
Oh Mann, mit diesem Zeugnis kommst du besser nicht nach Haus, 
C                 D              G
sondern allenfalls zur Fremdenlegion. 
D                     G               D                   G
Ich zeigt' es meinen Eltern nicht und unterschrieb fuer sie, 
A                                               D
schoen bunt, sah nicht schlecht aus, ohne zu prahl'n. 
C                   D              G         C
Ich war vielleicht ne Niete in Deutsch und Biologie, 
G	            D                   Em
dafuer konnt ich schon immer ganz gut mal'n,
G                   D                    G 
dafuer konnt ich schon immer ganz gut mal'n,


Strophe 3:

G	       Bm                   C             G
Der Zauber kam natuerlich schon am naechsten Morgen raus, 
C                 D                         G
die Faelschung war wohl doch nicht so geschickt. 
G                     Bm                C              G
Der Rektor kam, holte mich schnaubend aus der Klasse raus, 
C                 D                    G
so stand ich da, allein, stumm und geknickt. 
D               G             D                     G
Dann liess er meine Eltern kommen, lehnte sich zurueck, 
A                                   D
voll Selbstgerechtigkeit genoss er schon 
C                   D              G                  C  
die Maulschellen fuer den Betrueger, das missrat ne Stueck, 
G	        D                 Em 
diesen Urkundenfaelscher, ihren Sohn,
G               D                 G
diesen Urkundenfaelscher, ihren Sohn. 


Strophe 4:

G	              Bm           C             G
Mein Vater nahm das Zeugnis in die Hand und sah mich an 
C              D                 G
und sagte ruhig: "Was mich anbetrifft, 
G                     Bm                C            G
so gibt es nicht die kleinste Spur eines Zweifels daran, 
C                 D                 G
das ist tatsaechlich meine Unterschrift." 
D               G             D                G
Auch meine Mutter sagte, ja, das sei ihr Namenszug. 
A		                    D
Gekritzelt zwar, doch muesse man verstehn, 
C                   D              G                  C
da sie vorher zwei grosse, schwere Einkaufstaschen trug. 
G	          D                     Em
Dann sagte sie: "Komm, Junge, lass uns gehn." 
G          D                    G
........"Komm, Junge, lass uns gehn"


Strophe 5:

G	              Bm           C             G
Ich hab noch manches lange Jahr auf Schulbaenken verlor'n 
C                 D                  G
und lernte widerspruchslos vor mich hin, 
G                Bm          C                    G
Namen, Tabellen, Theorien - von hinten und von vorn, 
C	       D		      G
dass ich dabei nicht ganz verbloedet bin! 
D               G             D                     G
Nur eine Lektion hat sich in den Jahr'n herausgesiebt, 
A			         D
die eine nur aus dem Haufen Ballast: 
C                   D              G                  C
Wie gut es tut, zu wissen, dass dir jemand Zuflucht gibt, 
G	        D                      Em
ganz gleich, was du auch ausgefressen hast,
G                    D                  G
ganz gleich, was du auch ausgefressen hast! 


Strophe 6:

G	                Bm           C                  G
Ich weiss nicht, ob es rechtens war, dass meine Eltern mich 
C                 D                 G
da rausholten und - wo bleibt die Moral? 
G                     Bm                C            G
Die Schlauen diskutier'n, die Besserwisser streiten sich, 
C		    D		    G
ich weiss es nicht, es ist mir auch egal. 
D               G                 D                     G
Ich weiss nur eins, ich wuensche allen Kindern auf der Welt, 
A			D
und nicht zuletzt natuerlich dir, mein Kind, 
C                   D              G                  C
wenn's brenzlig wird, wenn's schiefgeht, wenn die Welt zusammenfaellt, 
G        D                    Em			
Eltern, die aus diesem Holze sind, 
G        D                               G
Eltern, die aus diesem Holz geschnitten sind











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